Studien zeigen, dass die Pandemie einen rasanten Paradigmenwechsel im B2B-Einkauf ausgelöst hat und traditionelle Vertriebsansätze unter Druck setzt
Die COVID-19-Krise hat die Unternehmen weltweit und in allen Branchen in Mitleidenschaft gezogen. Viele sahen sich plötzlich mit Problemen konfrontiert, die außerhalb ihres Einflussbereiches lagen und die Existenz des eigenen Unternehmens bedrohten. Im Gegensatz zu den B2C-Kunden, die sich in der Krise solidarisch den lokalen Anbietern gegenüber zeigten, können B2B-Kunden ihren Anbieter gegenüber nicht mehr so nachsichtig und loyal sein, wie in der Vergangenheit, und beginnen langjährige Geschäftsbeziehungen gnadenlos zu hinterfragen.
Dies führte dazu, dass fast die Hälfte aller Unternehmen durch die Krise ihre Lieferanten gewechselt haben.
In den meisten Fällen aufgrund der schlechten Verfügbarkeit, aber auch wegen ihrer Preisgestaltung, sowie auch wegen ihrer Unfähigkeit, sich an die neuen Bedingungen anzupassen.
Dies ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass die Kunden dank Pandemie unter starkem Selbsterhaltungsdruck stehen und sich gezwungen sehen, Kosten zu sparen, Cashflow zu sichern und noch optimierter einzukaufen. Das ist ihnen wesentlich wichtiger, als ihren langjährigen Lieferanten treu zu bleiben. Die positiven Erfahrungen, die sie damit machen bestätigen sie und verstärken diesen Trend des Lieferantenwechsels, der auch nach der Krise andauern soll. Diese Entwicklung wird von mehreren Studien - zwar mit unterschiedlichen Zahlen aber eindeutig belegt.
Laut McKinsey erwägen im Schnitt 23% der Europäischen Unternehmen einen Lieferantenwechsel, in Deutschland sind es sogar 37%.
Kunden wechseln aufgrund einer besseren digitalen Erfahrung
Zu den größten Herausforderungen, die die Unternehmen mit ihren bestehenden Lieferanten haben, gehören die fehlende Lagertransparenz, Preise, Schlechte Betreuung und nicht ausreichende Informationen. Das sind typische Gründe für einen Lieferantenwechsel, also nichts verwunderliches, insbesondere unter Krisen-Umständen.
Aber wir sehen hier neue Faktoren ins Spiel kommen, die eine nicht unwesentliche Rolle spielen: B2B-Kunden wollen eine digitale Erfahrung, insbesondere im Bereich der Bestellung, Preiseinsichten und der Selbstkonfiguration von Produkten und Lösungen.
Der Trend aus dem Konsumentenbereich ist längst in der B2B Welt angekommen und vom Virus nur noch beschleunigt. Folglich verändern sich auch die Lieferantenpräferenzen:
Dreiviertel (76%) der europäischen Unternehmen haben ihre Präferenzen den Lieferanten gegenüber verändert. McKinsey
Es findet ein massive Verlagerung in der Lieferantenlandschaft statt, die viele Opportunitäten, aber auch Risiken birgt. Vermutlich ist diese Entwicklung nicht allen Unternehmen bewusst, denn wenn aktuell Umsätze und Kunden wegbrechen, wird dieser Umstand einfach der Corona-Krise zugerechnet.
Dabei kann leicht übersehen werden, dass die Kunden ihre Einkäufe nicht aus Krisengründen einstellen oder reduzieren, sondern wegen einer besseren digitalen Erfahrung zu anderen Anbietern wechseln.
In diesem Zusammenhang ist große Vorsicht geboten und Überprüfung der tatsächlichen Lage bei den jeweiligen Kunden, die ihre Einkaufsvolumina während der Krise reduziert haben: Kaufen sie tatsächlich nicht mehr ein oder einfach nicht mehr bei Ihnen?
Parallel dazu sollte man nach Möglichkeiten suchen, bei anderen Kunden Eintritt zu finden, denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie jetzt gerade für einen Lieferantenwechsel offener als sonst wären.
Dazu muss man allerdings verstehen, was Kunden aktuell bei Lieferanten attraktiv finden und was sie dazu bewegt, den Anbieter zu wechseln: Ganz oben auf der Liste stehen die klassischen Gründe, wie Verfügbarkeit, Beziehungen und Preise. Aber auch hier haben wir neue Faktoren, die die Präferenzen der Anbieter stark beeinflussen: digitale Selbstbedienung, digitale Einkaufserfahrung und Multichannel.
Der Trend der „digitalen Einkaufserfahrung“ war im B2B Bereich schon vor der Krise erkennbar. B2B Einkäufer hatten ihren Einkauf von der traditionellen Abhängigkeit von Vertriebsmitarbeitern hin zur Selbstbedienungskanälen zum Teil bereits verlagert. Studien zeigen, dass COVID-19 diese Verlagerung dramatisch beschleunigt hat.
Traditionelle Vertriebskanäle unter Druck
Es ist nicht zu bestreiten, dass die Pandemie einen richtigen Digitalisierungsschub im Einkauf ausgelöst hat. All die traditionellen personenbezogenen Kanäle: ob Verkäufer, Innendienst oder Außendienst haben stark abgenommen. Interessant ist es, dass auch die traditionellen „alten digitalen“ Kanäle, wie Email oder Bestellungen über die eigene Einkaufsabteilung, ebenfalls an Relevanz verlieren.
Digitale Selbstbedienung ist gefragt
Gewonnen haben die digitalen Selbstbedienungskanäle, wobei die Verwendung der Anbieter-Webseiten ist gleich geblieben.
Was Kunden wirklich wollen: Digitale Selbsterfahrung bzw. komplette Integration der Bestellprozesse.
Der Vorteil dabei ist, dass Anbieter, wenn sie auf diesen Trend richtig reagieren - und starke digitale B2B-Kanäle ausbauen - neben der Stärkung der Kundenbindung auch ihre Vertriebskosten senken können.
Abgesehen davon wird man damit auch die Zukunft des eigenen Unternehmen sichern, denn diese Entwicklungen sollen nach der Krise nicht nur andauern, sondern sich noch mehr verstärken. B2B Kunden haben eindeutig vor, ihre Beschaffung vermehrt ohne die Hilfe eines Vertriebsmitarbeiters zu tätigen.
B2B-Einkäufer haben keine Lust mehr auf traditionelle Vertriebsinteraktionen
Kunden wechseln zu digitalen Selbstbedienungskanälen, weil sie keine Lust mehr darauf haben, mit Verkäufern zu verhandeln, sondern sofortigen Zugang zu marktrelevanten Preisen möchten. Sie wollen zeit- und ortsunabhängigen Zugang zu relevanten Produktinformationen, diverse Vertrags- und Zahlungsoptionen, sowie auch die Möglichkeit, ihre Bestellungen selbst zu konfigurieren und zu individualisieren.
B2B Kunden möchten sofortigen – digitalen- Zugang zu „echten“ Preisen
Parallel dazu werden die Vertriebsorganisationen vor weiteren neuen Herausforderungen gestellt, insbesondere in Bezug auf die Preisgestaltung.
67% der Unternehmen sind bereit, zu einem Lieferanten, der dynamische personalisierte Preise anbietet, zu wechseln. PROS
Anders als in der Welt der Verbraucher sind die B2B-Preise nicht immer transparent und können je nach Kunde und Geschäftsbereich variieren. Preisnachlässe für Großabnehmer oder Stammkunden sind eine gängige Praxis. Doch anstatt mit Verkäufern persönlich zu interagieren, möchten Geschäftskunden sofortigen – digitalen - Zugang zu Preisen. Und es geht ihnen nicht um die typische Preisabfrage in einem Onlineshop, samt Lagerstand mit einer anschließenden Nachverhandlung mit dem Vertrieb – da die Preise im Shop lediglich Indikationen sind – sondern um aktuelle, realistische und für sie relevante Preise.
Einkäufer müssen schnell Entscheidungen treffen und sind es nicht mehr gewillt, mit dem Vertrieb zu interagieren, um Preise zu erfahren und sie dann auch noch zu verhandeln. Sie wollen schnellen, transparenten Zugang zu marktadäquaten Preisen zur Selbstbedienung.
Recherche nach Lieferanten wird vermehrt digitalisiert
Nicht nur der Beschaffungsprozess soll digitalisiert werden, sondern auch die Recherche nach neuen Lieferanten, wie ein von McKinsey durchgeführte Studie aufzeigt. Unternehmen ziehen inzwischen eine digitale Recherche - Websites, digitale Materialien und Live-Chats – den herkömmlichen Kanälen vor, wie Referenzen, Mundpropaganda und Messen. Sie ziehen sogar die Webseite des Anbieters einer Interaktion mit den Verkäufern vor.
Videokonferenzen ersetzen Reisen
Wenn die Krise uns eins gelehrt hat, dann dass digitale Kommunikation funktioniert. Zwar nicht auf dieselbe Art und Weise und es fehlt an persönlichem lebendigem Kontakt, dafür aber kosteneffizienter und schneller. Die digitalen – virtuellen - Interaktionen waren während der Krise doppelt so wichtig, was auch absolut nachvollziehbar ist. Aber Kunden möchten auch zukünftig vermehrt digital interagieren.
Jeder zweite Deutsche möchte künftig lieber an Videokonferenzen teilnehmen als auf Geschäftsreise zu gehen. In der Generation Y sind es 61%. McKinsey.
Das bedeutet nicht, dass die gesamte Kommunikation – so wie während des Lockdowns – virtuell geschehen soll, aber viele planen, weniger zu reisen und dafür mehr per Video zu kommunizieren.
Digitale GoToMarket-Modelle sind genauso oder sogar effizienter als die traditionellen Vertriebskanäle
Unternehmen haben nicht nur die Beschaffungsprozesse an die aktuellen Bedienungen angepasst, sondern auch ihre Vertriebsansätze.
97 % der B2B-Unternehmen haben ihr GTM-Modell angepasst, sprich auf digitale Kanäle umgestellt, soweit es möglich war. McKinsey
Manches, was zuvor unmöglich erschien, ist plötzlich möglich – Stichwort Homeoffice – und die Mehrheit stellt fest, dass die neuen Modelle zumindest genauso effektiv oder sogar effektiver als zuvor sind.
Dieser Shift wurde zwar durch COVID-19 ausgelöst, wird aber mit hoher Wahrscheinlichkeit anhalten. Was hier wichtig ist: dass man sich mit diese Anpassung der GTM Modelle auch aus strategischer Sicht betrachten sollte und sie auf „Richtigkeit“ überprüft. Sie darf nicht nur auf dem COVID-Stand bleiben, weil damit während der Krise positive Erfahrungen gemacht wurden.
WAS UNS DIE KRISE ÜBERLÄSST
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Krise einen Paradigmenwechsel im B2B Einkauf ausgelöst hat. Und das auf mehreren Ebenen:
Traditionelle Einkaufsmodelle werden durch digitale ersetzt
Wechsel zu Lieferanten, die eine bessere digitale Erfahrung bieten
Digitale Selbstbedienungskanäle gehören zu den wichtigsten Lieferantenpräferenzen
Digitaler Zugang zu marktrelevanten und individuellen Preisen erwünscht
Digitale Kanäle werden für die Recherche und Evaluierung von Lieferanten bevorzugt
Digitale Kommunikation und virtuelle Kanäle ersetzen zum Teil die persönliche Kommunikation
Was das für Vertriebsorganisationen bedeutet:
Unternehmen können sich einen Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten verschaffen, wenn sie schnell und adäquat auf diese Veränderungen reagieren und passende digitale Selbstbedienungsoptionen ihren Kunden anbieten. Dabei geht es weit über die E-Commerce-Grundlagen hinaus - wie maßgeschneiderte Homepages oder Onlineshops - sondern um Implementierung von individualisierten digitalen Optionen für die jeweiligen Phasen im Beschaffungsprozess der Kunden: Recherche, Evaluierung, Bestellung und Abwicklung.
Shift von traditionellen Prozessen: Unternehmen sollten den Transfer zu digitalen Vertriebskanälen gut durchdenken und langfristig strategisch umsetzen. Ein vermehrter Homeoffice-Einsatz im den Vertrieb wird nicht ausreichen.
Digitale Kundenkommunikation verstärken : Diverse Kommunikationskanäle – Stichwort Omnichannel - umsetzen, wie Chats und Virtuelle Assistenten.
Selbstbedienung dem Kunden anbieten : Zeit- und ortsunabhängigen Zugang den Kunden bieten, angepasst an ihre Bedürfnisse in den jeweiligen Schritten im Beschaffungsprozess:
Recherche: Produkt und Informationsbeschaffung
Evaluierung: Selbstkonfiguration von Produkten und Lösungen
Preis: Dynamische und marktadäquate Preise
Bestellung: Individualisierung und Konfiguration von Bestellungen
Abwicklung: Automatisierung von Bestellprozessen, EDI-Anbindungen, Zahlung
Digitale Vertriebsmodelle entwickeln: Neben all den oben genannten Aspekten, ist das Wichtigste, die eigenen Geschäftsmodelle und Vertriebsmodelle zu hinterfragen und an die aktuellen! Marktentwicklungen und Kundenbedürfnisse anzupassen.
Das bedeutet, die bestehende Ansätze und Modelle unter die Lupe zu nehmen, anstatt sich auf den Erfolgen der letzten Jahren auszuruhen.
Denn die meisten Entwicklungen und Verschiebungen in den Kundenerwartungen geschehenen anfangs im Verborgenen und wir tendieren dazu, lediglich die Symptome – Umsatzeinbruch, Margenreduktion, verstärkter Wettbewerb - zu erkennen und zu behandeln, anstatt den wahren Ursachen auf den Grund zu gehen.
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